Laut Plänen der Bundesregierung soll die Energiegewinnung durch Windkraft massiv ausgebaut werden. Einziges Problem: Die Bürger möchten die riesigen Anlagen nicht in ihrer Nachbarschaft sehen. Da kommt die Idee einer Gemeinde mitten in Schleswig-Holstein gerade recht: Die Windanlagen werden gebaut, doch die Anwohner verdienen an den Erträgen daraus mit.
Doch Bernd Hartwich ist noch nicht überzeugt von der Windkraft. Er möchte an seinem Seegrundstück in der beschaulichen Uckermark eigentlich nur Natur sehen, blick aber Tag für Tag auf die Windkraftanlagen. Der „Wildwuchs von Windkraftanlagen“ ist dem 66-Jährigen ein Dorn im Auge, für die Bundesregierung aber soll damit der Weg in die Ökoenergie geebnet werden.
Für Bernd Hartwich sind dieses Pläne nichts. Als ehemaliger Bürgermeister des kleinen Ortes mit gerade einmal 120 Einwohnern hat er sich stark gemacht und den Bau der Anlagen verboten.
Trotzdem kamen für jedes verbotene Windrad zwei neue Windräder hinzu. Ein Kampf wie David gegen Goliat. Selbst eine Bürgerinitiative konnte dagegen nichts ausrichten. Der Kampf dauert jetzt schon gute 10 Jahre. Fotos und Karten dokumentieren die vielen Windräder in der Uckermark. Der Rentner fragt sich aufgebracht: „Wer hat das Recht, die Landschaft so zu versauen?“ Die Antwort ist leicht: Die Konzerne möchten bauen, die Regierung unterstützt dieses Vorhaben und die Verpächter der freien Flächen verdienen ordentlich mit.
Große Pläne für Energie aus Windkraft
Was für die einen gut ist, stört die anderen. Nicht nur der Anblick der großen Rotoren stört die Anwohner in der Uckermark und anderswo. Auch der Lärm und die großen Schatten die dadurch entstehen stören. Viel machen lässt sich dagegen nichts, denn die Energiewende ist beschlossene Sache. Herr Hartwich hat ausgekämpft und gesteht: „Ich habe verloren.“ Im Jahr 2010 wurde nur sechs Prozent des Energiebedarfs durch Windkraft gedeckt, 10 Jahre später soll der Prozentanteil auf 20 wachsen. Spätestens 2022 sollen alle Atomkraftwerke abgeschaltet werden, dann wird der Windkraft eine wichtige Rolle bei der Energieversorgung für Deutschland zufallen.
Laut Angaben des Fraunhofer Instituts könnte das Land sogar zwei Drittel des Bedarfs an Strom aus der Windkraft beziehen. Das ist das Ergebnis einer Studie. Dafür wäre es allerdings nötig, zwei Prozent der Freiflächen mit entsprechenden Anlagen zu zubauen. Die Anlagen können dabei sowohl an Land als auch im Wasser entstehen, wobei letztere deutlich mehr planerische Vorlaufzeiten benötigen bis zur Realisierung. Eine schwere Aufgabe, da auch die Bewohner zu überzeugen und sie im übertragenen Sinne mit ins Boot zu holen.
Schleswig-Holstein zeigt wie es geht
Wie das geht zeigt ein Beispiel aus Reußenköge im westlichen Teil von Schleswig-Holstein. Sechs Windparks gibt es hier inzwischen und das ganz ohne Proteste der Bevölkerung. Der Trick? Die Anwohner können selbst Anteile an den Windrädern erwerben und sind dann umsatzbeteiligt. 90 Prozent haben sich bereits dazu entschieden und verdienen nun als Unternehmer mit. Dirk Albrecht, der Geschäftsführer der Windparks fasst das System treffend zusammen:“ Eine eigene Mühle ist nie so laut, wie eine fremde Mühle.“ Der positive Rückenwind der Bewohner ist wichtig für Schleswig-Holstein, denn hier ist der Standort ideal für den Bau dieser Anlagen. Seit den 80iger Jahren startete Albrecht das Unternehmen „Windkraftanlage“ und holte dazu schnell auch die Anwohner mit ins Boot, denn „wenn man Geld dafür kriegt, kann man damit gut leben“, so sein Hintergedanke.
Jetzt kann jeder Teilhaber werden. Dazu reichen bereits wenige tausend Euro. Wer mehr kann, gibt mehr. Die Investition zahlt sich aus, eine Rendite bis zu 10 Prozent ist drin und damit mehr, als jede Geldanlage auf der Bank zu bieten hat. 70 Anlagen gibt es jetzt, 17 sollen bald folgen in dem kleinen Gebiet Reußenköge. Bislang liegt die produzierte Energie 140-fach höher als in dem Ort gebraucht wird. Das macht auch den Bürgermeister Volquardsen stolz. „Wir fragen nicht immer erst, wir versuchen erst mal, das selber zu machen,“ erklärt der.
Doch Probleme gibt es auch in Reußenköge. Der Windpark hat rund 230 Mitglieder und da sind alle Entscheidungen auch immer Gemeinschaftsentscheidungen. Eine Tatsache mit Konfliktpotential. Da jedoch alle das selbe wollen, nämlich an der Windkraft Geld zu verdienen, halten sich die Konflikte im Rahmen. Da haben es andere Windparks schwieriger, denn dort kämpfen Bürger und Konzerte erbittert gegeneinander. Daher sollten sich die Konzerne überlegen, das Prinzip „Mitmachen und Geld verdienen“ auch in Gebieten wie der Uckermark einzuführen. Bernd Hartwich jedenfalls zeigt sich von diesem Vorschlag durchaus angetan: „Wenn man ein paar Euro dafür kriegt, kann man immer damit leben.“